Jean Leppien
1910
Jean Leppien wird am 8. April 1910 in Lüneburg geboren und Kurt Johannes Leppien getauft. Er stammt aus einer angesehenen bürgerlichen Familie. Seine Vorfahren waren Pfarrer, Kaufleute und Fabrikanten.
Die väterliche Familie besaß eine Roßhaarweberei und -spinnerei. Die Vorfahren seiner Mutter waren Kaufleute und als Waldhornisten berühmte Musiker.
1921
Besuch des Lüneburger Johanneums
1928
Im Museum von Dresden entdeckt er das Bild „Quelques Cercles“ von Wassily Kandinsky (1866-1944): Für ihn das erste abstrakte Bild, „ein frische Windstoß, ein Sonnenstrahl nach dem Regen“
Reise zum Bauhaus mit dem Fahrrad, spontane Führung durch Walter Heinz Allner (1909-2006). Erhält Bücher, Zeitschriften und Veröffentlichungen zum Bauhaus durch seinen Bruder, der in München lebt
1929
Im Mai Aufnahme eines Studiums am Bauhaus in Dessau, besucht den Vorkurs von Josef Albers (1988-1976) und die Malklassen von Wassily Kandinsky und Paul Klee (1879-1940)
1930
Verlässt das Bauhaus nach dem Ausscheiden von Hannes Meyer (1889-1954) als Direktor. Er wird für einige Monate Assistent des Werbefilm-Regisseurs bei Boehner-Film in Dresden
1931
Umzug nach Berlin. Beginn eines Fotografiestudiums an der Itten-Schule bei Lucia Moholy (1894-1989) und zeitweilige Mitarbeit bei Lazlo Moholy-Nagy (1895-1946) u.a. für die Internationale Berliner Bau-Ausstellung 1931
1932
Lernt in Berlin die Bauhaus-Schülerin Suzanne Markos-Ney (1907-1982) aus Ungarn kennen, die ebenfalls am Bauhaus in Dessau Klassen zur Fotografie und Webkunst besuchte
1933
Emigration nach Paris, wohin seine spätere Frau Suzanne folgt
Um den Lebensunterhalt zu verdienen, beschäftigt sich Leppien mit Fotografie, Fotomontagen, Fotoreportagen, angewandter Grafik (Buchumschläge), Reklame, Plakaten, Ausstellungsgestaltungen („le grand Garches“, 1936)
1934
Gestaltet Buchumschläge für Emigranten-Verlage
Zeichnet seine Werke mit "lépine"
1935
Beteiligt sich an der internationalen Ausstellung gegen den Faschismus in der Pariser Galerie Billiet-Vorms
1936
Leppien wird von den Nationalsozialisten als Deutscher ausgebürgert
1939
Eine Fotoreportage führt ihn nach Marseille
Leppien wird bei Kriegsbeginn im Arbeitslager von Marolles interniert und meldet sich freiwillig zum Eintritt in die französische Armee, Aufnahme „für Kriegsdauer“ in die Fremdenlegion
1940
Anfang 1940 in Algerien, anschließend in Marokko stationiert, wird nach der deutschen Besatzung Frankreichs demobilisiert
Er lebt mit Suzanne in der Nähe von Avignon in Sorgues-sur-Ouvèze. Arbeitet als Bauer, Maurer und Anstreicher
1941
Heirat mit Suzanne
1944
Suzanne wird in Sorgues von der deutschen Gestapo verhaftet (21.3.). Als Tochter einer jüdischen Mutter wurde sie nach Auschwitz verschleppt. Jean Leppien wird in Avignon (22.3.) und in Paris von einem deutschen Kriegsgericht wegen „Waffenhilfe für den Feind“ zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Es folgt die Deportation in deutsche Zuchthäuser (zuerst Bruchsal)
1945
In Kaisheim im April 1945 durch amerikanische Truppen befreit
Rückkehr nach Paris. Wiederbegegnung mit Suzanne, die Auschwitz überlebt hat
Jean und Suzanne ziehen nach Nizza und unternehmen regelmäßige Reisen nach Paris
1946
Eine Reise nach Paris führt zu Kontakten mit Malern der „art abstrait“ und dem Kritiker Charles Estienne
Leppien wird Gründungsmitglied des Pariser „Salon des Réalités Nouvelles“, der bis heute jährlich stattfindet und an dem sich ausschließlich abstrakte Künstler beteiligen
Es entstehen Freundschaften mit Herta Wescher (1899-1971), André Bloc (1896-1966) und Richard Mortensen (1910-1993), Jean Deyrolle (1911-1967) und Michel Seuphor (1901-1999), Adolf Fleischmann (1892-1968) und Léon Degand (1907-1958), Emile Gilioli (1911-1977) und Heinrich Maria Davringhausen (1894-1970), Hans Reichel (1882-1958), Serge Poliakoff (1900-1969), Victor Vasarely (1906-1997), Pierre Soulages (*1919)
1947
Erste Gruppenausstellung nach dem Krieg in der Galerie Deux Îles in Paris, die von dem Kunstkritiker und Förderer der „art abstrait“ Charles Estienne (1908-1966) organisiert wird
Die Leppiens mieten die Villa „La Ginestièra“ in Nizza-Saint Antoine
An der Côte d’Azur in Grasse ist Ferdinand Springer (1907 - 1998) der erste Künstler mit dem Leppien regelmäßig Kontakt hat
1948
Erhält er den „Prix Kandinsky“ als „Prix d’encouragement“, neben dem Hauptpreisträger Max Bill (1908-1994). Mit der Witwe Nina Kandinsky (1899-1980) steht er in enger Verbindung
Es entstehen Freundschaften mit den Künstlern von Cagnes-sur-Mer, u.a. mit Jean Villeri (1986-1982) und Marie Raymond (1908-1988)
1949
Die einflussreiche Kunsthändlerin für die Avantgarde Colette Allendy (1895-1960) präsentiert ihn in einer Einzelausstellung in ihrer Galerie in Paris
1950
Übersiedlung nach Roquebrune-Village in Südfrankreich nahe der italienischen Grenze, Atelier und Wohnung dort bis zu seinem Lebensende mit einem Webstudio für Suzanne
Erste Deutschlandreise nach 1933 und Wiedersehen mit der Familie
1951
Erste Einzelausstellung in Deutschland in der Galerie Otto Ralfs, Braunschweig
Leppien nimmt an der Gründung des „Art Club de la Côte d’Azur“ teil
1952
Erste Ausstellungen in Italien. Die Sammlerin und Galeristin Maria Ghiringelli macht ihn mit Atanasio Soldati (1896-1953) bekannt sowie mit Antonio Calderara (1903-1978)
Gruppe „Movimento Arte Concreta“ lädt ihn als Mitglied ein
Zeitgleich tritt er der sich der geometrischen Abstraktion verpflichtenden Künstlergruppe „Espace“ an, die 1951 von André Bloc (1896-1966), einem Künstler, Architekt und Herausgeber der Zeitschrift „Art d’aujourd’hui“, gegründet wurde. Unter den Mitgliedern sind Jean Dewasne (1921-1999), Nicolas Schöffer (1912-1992) und Victor Vasarely
1953
Er trifft sich oft mit dem Kritiker Georges Boudaille (1925-1991)
Das Musée national d’art moderne Paris kauft ein erstes Bild
1954
Leppien organisiert in der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk (Saarbrücken) eine Ausstellung über den Einfluss Wassily Kandinskys auf in Paris wirkende Maler der Nachkriegszeit (André Bloc, Jean Deyrolle, Alexandre Istrati (1915-1991), Jean Leppien, Richard Mortensen und Serge Poliakoff)
Nina Kandinsky bittet die Leppiens um Übersetzung von Kandinskys berühmtem Bauhaus-Buch „Punkt und Linien zur Fläche“, diese Übersetzung erscheint unter dem Titel „Point et ligne sur plan“ erst 1970
Maria Ghiringhelli stellt ihm ein großes Atelier in Arma di Taggia zur Verfügung. Zum ersten Mal kann er großformatige Bilder malen
Während seiner Ausstellung in der „Galleria Bergamini“ in Mailand trifft er Bruno Munari (1907-1998)
1956
Eine Reise in die Schweiz führt ihn nach Bern, wo er mit großem Interesse die Ausstellungen Paul Klee und Max Ernst (1891-1976) besucht
1957
Paris wird wieder Wohnsitz des Künstlers. Er mietet ein kleines Atelier in der Rue Malebranche im Quartier Latin
1958
Seine Ausstellung in der Galleria Bergamini in Mailand gibt ihm Gelegenheit, den Kritiker Gillo Dorfles (1910-2018) wiederzusehen
1961
Leppien malt ein Fresko von 36 x 2 m im Haus „Prospecteurs de Pétrole“, rue Nelaton, Paris
1962
Paris wird Hauptwohnsitz: Umzug in die Rue du Sentier. Die Sommermonate werden weiter im Süden in Roquebrune-Village verbracht
1963
Italienreise, wo Leppien in Siena die Werke von Simone Martini und Duccio besichtigt
1964
Erste Einzelausstellung in den USA und Wiedersehen mit Josef Albers
1967
Leppien realisiert ein Relief von 20 m Länge für ein Restaurant am Place Étienne Pernet, Paris
1968
Teilnahme an der großen Ausstellung „50 Jahre Bauhaus“ in Stuttgart (und Paris 1969)
1971
Haus und Atelier im Bergdorf Fanghetto in Ligurien
1972
Suzanne und Jean Leppien beenden die Übersetzung des „Cours au Bauhaus“ von Kandinsky
1973
Leppien organisiert im Kulturzentrum Colombes bei Paris die Ausstellung „art construit“ mit Stanislas Estrangin, Aurelie Nemours (1910-2005), Eduardo Jonquières (1918-2000), Jean Leppien, Luc Peire (1916-1994) und Michel Seuphor (1901-1999)
Für das Théatre de Beaulieu in Lausanne und für das Festival d’Avignon entwirft Leppien Kostüme und gestaltet die Szenografie
1974
Beim Festival von Avignon zeigt das Théâtre du Silence zwei Ballettes von Garnier mit der von ihm entworfenen Szenografie
1975
Suzanne und Jean Leppien rekonstruieren in Paris die Keramik-Wände des sogenannten "salon du musique", den Kandinsky 1931 für die Internationale Berliner Bau-Ausstellung herstellen ließ. Die Fertigung der Keramikkacheln geschieht durch Villeroy & Boch. Heute ist der Musiksalon in den Museen der Stadt Straßburg zu sehen
1976
Teilnahme am 1. Bauhaus Kolloquium in Weimar und Dessau
1978
Er reist mit Geologen in den Südwesten der Vereinigten Staaten
1979
Teilnahme am 2. Bauhaus Kolloquium in Weimar und Dessau
1980
Beginnt mit seiner Autobiografie "Ein Blick hinaus"
1982
Suzanne Leppien stirbt in Roquebrune (28.9.) nach einem letzten Sommer in Fanghetto
1985
Übersiedlung nach Boulogne bei Paris
1987
“Ein Blick hinaus” erscheint in Deutschland
Leppien wird "Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres" durch Akt des Kulturministers Jacques Lang
1988
Ausstellung im Museum für das Fürstentum Lüneburg, die Eröffnungsrede hält Walter Vitt
Nimmt an einem Kolloqium über das Bauhaus in Brüssel teil
1991
“Ein Blick hinaus” erscheint in Frankreich unter dem Titel "Regards par delà"
Nach einem letzten Sommer in Fanghetto stirbt Jean Leppien in Paris. Beigesetzt wird er in Roquebrune-Village
2020
Die Erben von Jean Leppien beauftragen VAN HAM Art Estate mit dem Management des Nachlasses